Unsere Arbeitswelt befindet sich in einem ständigen Wandel. Ganze Branchen verändern sich. Manche verschwinden sogar. Andere wiederum erleben einen nie geahnten Aufschwung und sind heutzutage gar nicht mehr wegzudenken. Gleichzeitig verändern sich auch die damit verbundenen einzelnen Berufe. So liegen beispielsweise Berufsbilder aus der Informationswirtschaft, aber auch aus dem Umwelt- und Nachhaltigkeitsbereich heute stark im Trend und versprechen scheinbar gute Zukunftsaussichten. Berufsbilder, von denen noch unsere Eltern zur damaligen Zeit nicht einmal etwas ahnen konnten. Fragt doch einfach mal eure Eltern, über welche Berufe sie in ihrer Jugend so nachgedacht haben, bevor sie sich für ihren jetzt ausgeübten entschieden haben. KI-Spezialist*in, Content-Manager*in, CSR-Manager*in oder Umwelttechniker*in? Nun, diese waren garantiert nicht dabei.
Welche Berufe aber gab es zur damaligen Zeit, die es andersherum betrachtet heute nicht mehr gibt? Berufe also, von denen wir heute so gar nichts mehr wissen und bei denen uns schon die bloße Nennung der Berufsbezeichnung stutzig macht. Schauen wir doch mal ein paar Jahrhunderte zurück in eine Zeit weit vor dem Internet, dem ersten Mobiltelefon oder der Erfindung des Computers.
Stellen wir uns vor, wie sich etwa um das 18. Jahrhundert herum eine Gruppe Jugendlicher über die eigenen beruflichen Pläne und Wünsche unterhalten würde.
Franz: „Ich möchte gerne als Feldscher arbeiten. Dann kann ich anderen Menschen helfen. Das wäre toll.“
Georg: „Das würde ich mir dann aber gut überlegen, ob ich mir von dir helfen lassen würde. Feldschere sind doch gar nicht richtig ausgebildet. Manchmal richten die mehr Schaden an, als das sie helfen.“
Franz: „Ach was. Das war früher. Heute wird man als Regimentsfeldscher sogar an einer akademischen Lehranstalt ausgebildet. Und gut bezahlt wird es auch.“
Georg: „Auf jeden Fall ist das keine leichte Arbeit. Dafür muss man starke Nerven haben. Für mich wäre das nichts. Ich möchte lieber Kupferstecher werden.“
Luise: „Da musst du aber auch sehr genau arbeiten. Und Fehler darfst du dir auch keine erlauben. Die Kundschaft ist anspruchsvoll und schnell verärgert.“
Johann: „Außerdem sind viele Kupferstecher Betrüger. Man sollte da immer misstrauisch sein. Arbeite lieber als Schriftsetzer.“
Georg: „Viel zu anstrengend. Weißt du eigentlich, was so ein Setzkasten mit Buchstaben aus Blei wiegt? Und dann hat man den ganzen Tag nichts anderes zu tun, als die Buchstaben hin und her zu sortieren. Auf gar keinen Fall.“
Franz: „Was ist eigentlich mit dir, Johann? Wie wäre es als Dochtschneuzer oder als Sandmann?“
Johann: „Das ist jetzt aber nicht nett von dir. Als Sandmann möchte ich nun wirklich nicht enden. Und Dochtschneuzer …? Wohl kaum.“
Luise: „Wenn du deine Arbeit als Dochtschneuzer gut machst ist dir der Applaus des Publikums zumindest sicher.“
Johann: „Und wenn man sie schlecht macht, wird man gnadenlos ausgebuht. Und erst die komischen Kostüme, die die immer tragen müssen. Oje …“
Luise: „Du hast Recht. Das wäre nichts für dich. Wenn schon in diesem Bereich, dann wenigstens als Impresario.“
Johann: „Nein, das ist wohl kaum realistisch und auch alles nichts für mich. Ich möchte eher einer Arbeit nachgehen, bei der ich etwas sehe von der Welt und, ja, vielleicht auch reisen kann.“
Franz: „Da fällt mir doch direkt der Türmer ein. Oder der Siechentröster. Der Türmer hat immer einen guten Blick auf die Landschaft. Und der Siechentröster sieht nun wirklich viel von der Welt. Aber mal im Ernst, mein Freund, wie wäre es denn mit Schopper? Auch wenn du selbst dabei – zugegebenermaßen – wahrscheinlich nicht so viel reisen würdest.“
Johann: „Tja, vielleicht. Ich weiß es noch nicht genau.“
Georg: „Und du Luise? Möchtest du immer noch Zofe werden? Ich meine mich zu erinnern, dass du früher oft davon gesprochen hast.“
Luise: „Oder ich werde einfach Schopperin. Dieser Begriff hat nämlich mehrere berufliche Bedeutungen. Habt ihr das gewusst, Jungs?“
So oder ähnlich hätte ein solches Gespräch unter Jugendlichen im 18. Jahrhundert ablaufen können. Doch was steckt jetzt eigentlich hinter all den genannten historischen Berufen? Und sind alle wirklich schon ausgestorben? Hier die Auflösung …
Der Beruf des Feldschers hatte natürlich nichts mit dem ähnlich klingenden Wort des Fälschers zu tun. Ein Feldscher war vielmehr eine medizinisch ausgebildete Person, die hauptsächlich bei der Versorgung von verwundeten Soldaten in Kriegszeiten zum Einsatz kam. Der Feldscher wurde auch als Wundarzt oder Feldarzt bezeichnet. Er war in die damalige Militärorganisation eingeordnet. Seine Aufgaben umfassten beispielsweise die Versorgung von Schusswunden, das Ausbrennen von Wunden mit einem glühenden Eisen, oder aber auch das Wiedereinrenken von Gliedmaßen bis hin zu Amputationen. Der Feldscher hatte aber einen durchaus zweifelhaften Ruf, denn er erlangte seine medizinischen Kenntnisse von Bartscherern, Barbieren, Hufschmieden oder sogar von Scharfrichtern (heute besser bekannt als Henker). Diese Berufe hatten gemeinsam, dass sie durch ihre Ausübung in irgendeiner Form auch medizinische Kenntnisse vermittelten. Der Hufschmied beim Einrenken von Gliedmaßen bei Tieren, der Scharfrichter bei der Urteilsvollstreckung von Sträflingen auf der Folterbank usw. Der Feldscher war somit keineswegs professionell ausgebildet. Und was er nicht wusste, lernte er ganz pragmatisch während seiner Tätigkeit im Feld: learning by doing.
Erst gegen Mitte des 18. Jahrhunderts verbesserte sich die Situation, als man damit begann den Feldscher akademisch an chirurgischen Lehranstalten auszubilden. Er wurde fortan als Regimentsfeldscher bezeichnet oder aber auch als Regiments-Chirurg oder Regiments-Medicus. Die letzten beiden Bezeichnungen waren jedoch insofern nicht ganz korrekt, da sie einem vollausgebildeten Arzt (damals auch Medicus) nicht gleichgestellt waren.
Heute gibt es diese Zweiteilung in dieser Form nicht mehr. Gegen Mitte des 19. Jahrhunderts wurde die medizinische Ausbildung vereinheitlicht und der moderne Militärarzt/ die moderne Militärärztin löste die alten Berufsstände ab. Gott sei Dank, oder?
Der Kupferstecher hingegen war in einem ganz anderen Bereich unterwegs. Er war meist in einem Verlagshaus oder einer Malerwerkstatt tätig. Dort kopierte er Gemälde, Bilder und Illustrationen aller Art. Und das ganz offiziell und legal. Hierfür nutzte er sogenannte spanabhebende Verfahren. Oder einfacher formuliert: Er erstellte Kopien der Gemälde auf Kupferplatten. Der Vorteil von Kupferplatten im Vergleich zu anderen Verfahren war, dass sie höhere Auflagen ermöglichten (als beispielsweise sogenannte Radierungen) und viel detailtreuer waren (als beispielsweise Holzschnitte). Kupferstecher war daher ein vielgefragter Beruf. Vor allem im 18. Jahrhundert, in dem viele Bürger zu Wohlstand kamen, und solche Kopien von bekannten Gemälden nachfragten.
Der Kupferstich an sich erforderte hohes zeichnerisches und handwerkliches Geschick. Nicht von ungefähr kommt die heute noch geläufige Redewendung für einen qualitativ hochwertigen (Aus-)Druck: „gestochen scharf.“ Künstlerisch tätig wurde der Kupferstecher selbst jedoch nicht. Er entwarf in der Regel keine eigenen Werke. Durfte sich jedoch auf dem von ihm angefertigten Stich neben dem eigentlichen Autor des Werkes verewigen. So manches Mal wurde es allerdings bewusst oder unbewusst einfach „vergessen“, den wahren Autor ebenfalls zu nennen. Die Maler traten den Kupferstechern daher durchaus auch mit Misstrauen gegenüber. Als dann später die Zeit der Banknoten und Geldscheine begann (dies war allerdings weit nach dem vermeintlichen Gespräch unserer vier Jugendlichen) brachten die Kupferstecher auch hierfür beste Kenntnisse mit, um diese kopieren zu können. Das war dann allerdings nicht mehr offiziell und legal. Der Kupferstecher war somit in seiner Zeit ein durchaus angesehener Beruf, der gleichzeitig aber auch die ein oder andere kriminelle Tätigkeit zumindest ermöglichte.
Heute wird das Kupferstechen nur noch vereinzelt aus künstlerischen Zwecken durchgeführt. Es zählt zu den grafischen Berufen. Die moderne Drucktechnik selbst ist jedoch aus unserer modernen Gesellschaft nicht mehr wegzudenken.
Und der Schriftsetzer? War dem Kupferstecher gar nicht so unähnlich. Nur das er statt Gemälden schlichtweg Bücher kopierte. Zur damaligen Zeit stellte der Buchdruck eine erhebliche Innovation dar, weil er das handschriftliche Vervielfältigen von Büchern ersetzte. Bereits im 15. Jahrhundert von J. Gutenberg erfunden, waren Schriftsetzer noch bis in die 1990er Jahre im Buch- und Zeitungsdruck aktiv. Und die Tätigkeit war zu jeder zeitlichen Epoche sehr anstrengend. Allein der mit Buchstaben und Zeichen aus Blei gefüllte Setzkasten konnte 15-20 Kilogramm wiegen. Jeder benötigte Buchstabe musste dann einzeln auf den sogenannten Winkelhaken gesetzt und nach Erstellung des Drucks wieder ordentlich in den Setzkasten zurücksortiert werden. Und das Ganze war eine zumeist stehend durchgeführte Tätigkeit. Bis Mitte des 20. Jahrhundert wurde sie ausschließlich von Männern praktiziert.
Aber ist der Beruf des Schriftsetzers heute ausgestorben? Auf gar keinen Fall. Moderne Schriftsetzer*innen üben diese Tätigkeit allerdings unter völlig anderen Voraussetzungen und Arbeitsbedingungen aus. Und sie werden auch nicht mehr Schriftsetzer*innen genannt. Sie heißen beispielsweise Mediengestalter*innen. Und sie sind wichtiger denn je.
Doch kommen wir mal zu deutlich unangenehmeren Berufen. Habt ihr eine Ahnung, was ein Dochtschneuzer so tun musste? Oder ein Sandmann? Letzteren kann man sich vielleicht noch herleiten. Aber der Dochtschneuzer …
Nun, ein Dochtschneuzer hatte rein gar nichts mit Nase putzen zu tun. Das wäre auch zu einfach gewesen. Aber über das Wort „Docht“ kommt man der Sache schon näher, denn Kerzendochte waren für den Dochtschneuzer enorm wichtig. Man nannte ihn auch Lichtputzer. Sein Einsatzgebiet waren die Theatersäle des 17. bis 19. Jahrhunderts. Zur damaligen Zeit wurde die Beleuchtung dieser Säle ausschließlich mit Kerzen sichergestellt. Hunderte von Kerzen wurden für jede Aufführung benötigt. Und eben diese brannten damals noch nicht so problemlos über mehrere Stunden hinweg ab, wie wir das von heutigen Kerzen kennen. Sie rußten und flackerten. Der Docht wurde etwa alle 30 Minuten zu lang und musste per Hand mit einer Dochtschere gekürzt werden, d.h. die Kerzen wurden „geschneuzt“.
Der Dochtschneuzer hatte also keinen ruhigen Job. Er war ständig im Einsatz; eilte von einer Kerze zur nächsten. Und seine Arbeit musste er gewissenhaft ausführen, denn die Theateraufführung lief währenddessen natürlich weiter. Was hätte es für einen Aufschrei gegeben, wenn plötzlich das Licht neben der Bühne erloschen wäre oder aber der beißende Ruß für Unannehmlichkeiten gesorgt hätte? Und so kam es nicht selten vor, dass der Dochtschneuzer sogar selbst auf die Bühne musste, um die dortigen Kerzen zu „schneuzen“. Das „Rampenlicht“ war aber nicht jedermanns Sache, weshalb diese vermeintlichen Kurzauftritte oft zu Gelächter im Publikum führten. Vielleicht auch deshalb, weil die Dochtschneuzer einzig zu diesem Zweck auch noch in Kostümen auftreten mussten. Ein Dochtschneuzer war nun mal kein Schauspieler. Schaffte er es allerdings, sämtliche Kerzen auf der Bühne in kürzester Zeit so zu schneuzen, dass keine ausging, dann waren ihm der Respekt des Publikums und ein entsprechender Applaus sicher.
Der Dochtschneuzer hatte jedoch auch weitere Aufgaben. Er war gleichzeitig Brandmeister und Feuerwehrmann im Theater und fungierte hin und wieder sogar als Theaterkritiker. Und sogar die ursprüngliche Verwendung des Begriffs „Lampenfieber“ wird mit dem Dochtschneuzer in Verbindung gebracht. So erzeugten gut geschneuzte Kerzen eine enorme Wärme auf der Bühne, die die Schauspieler ins Schwitzen brachte und nicht selten ihre Leistung negativ beeinflussen konnte.
Den Dochtschneuzer gibt es heute natürlich in dieser Form nicht mehr. Schon früh wurden viele seiner ursprünglichen Aufgaben ersetzt, da sich die Kerzen und später die Lampen weiterentwickelten. Doch was wäre ein möglicher Nachfolger dieser längst vergangenen Berufsbezeichnung? Im weitesten Sinne vielleicht die Tätigkeit von Lichttechniker*innen?
Bleibt in diesem Zusammenhang noch kurz der Impresario zu erwähnen. Als Leiter eines Theaters oder Opernhauses wäre er in dieser Konstellation wahrscheinlich der Vorgesetzte unseres Dochtschneuzers gewesen. Er ist vergleichbar mit einem heutigen Theaterdirektor oder Intendant und übte schon damals geschäftsführende Tätigkeiten aus. Schon seit je her ein verantwortungsvoller und sozial geachteter Beruf, der jedoch aufgrund der überschaubaren künstlerischen Einrichtungen kaum für die breite Masse in Frage kam und kommt.
Kommen wir als nächstes zum Sandmann. Auch hier ist die vielleicht erste Assoziation mit der Schlaf und Träume bringenden Kinder- und Märchenfigur nicht die Richtige. Aber die zweite Assoziation passt, wenn man an den Rohstoff Sand denkt. Doch wurde dieser nicht als Schlafsand feinsäuberlich über die Köpfe der Kinder gerieselt, sondern seinerzeit zum Putzen und Abschleifen im Haushalt sehr geschätzt. Quarzhaltige Sande nutzte man schlichtweg zur Reinigung von Kupfer- oder Zinnkesseln, zum Polieren von Fußböden usw. Und gebracht wurde dieser Sand von Sandmännern. Eine körperliche Tortur war dabei nicht nur der Transport, d.h. die Lieferung an die Haushalte. Auch die Gewinnung war mühevoll, da sie manchmal in Stollen und Schächten unter der Erde erfolgte. Oftmals halfen Frau und Kinder bei der Gewinnung und Verpackung mit. Anschließend wurde dann der Familienvater zum Verkauf losgeschickt. Schwerbepackt zog der sogenannte Sandkerl los und bot seinen Rohstoff in der Stadt zum Verkauf an.
Es versteht sich fast von selbst, dass diese Tätigkeit weder sozial anerkannt noch gut bezahlt war. Sie war vielfach der letzte Ausweg für verarmte Familien. Und es ging sogar noch weiter. Sandmänner wurden oft als Sandhasen verspottet und galten bis ins 19. Jahrhundert hinein aufgrund der sozialen Ächtung als Schreckgestalten kleiner Kinder. Wenn also damals eine Gute-Nacht-Geschichte vom Sandmann erzählt wurde, hatte das so gar nichts mit unserer heutigen Vorstellung eines putzigen kleinen Männchens zu tun.
Und auch darüber hinaus wird heutzutage kaum mehr der Sandmann an der Haustür klingeln. Rohstoffe werden im Groß- oder Fachhandel ein- und verkauft; von gut ausgebildeten Kaufleuten beispielsweise des Groß- und Einzelhandels. Die Förderung und Aufbereitung von Rohstoffen wie beispielsweise Sand und Kies haben Aufbereitungsmechaniker*innen übernommen. Ein ebenfalls staatlich anerkannter mehrjähriger Ausbildungsberuf.
Ein wenig besser als dem Sandmann, wenn auch nicht viel, erging es dem Türmer. Natürlich musste der Türmer, wie der erste Gedanke vielleicht vermuten lässt, vor niemandem türmen, weglaufen oder fliehen. Vielmehr musste er Ausschau halten; und zwar von einem Turm aus. Ein Türmer war nichts anderes als ein Wächter, dessen Aufgabe es war, die Stadt vor Gefahren zu beschützen. Vom höchsten Turm der Stadt aus konnte er sowohl feindliche Truppen, aber auch Brände schon von weitem erkennen. Mit seinem Wächterhorn, Signalflaggen oder auch Lampen warnte er dann die städtische Bevölkerung. Eine damals nicht gerade unwichtige Tätigkeit, da die Städte oftmals eng bebaut und durch Stadtmauern begrenzt waren. Und das vorherrschende Baumaterial der Häuser war Holz. Ein zunächst unbemerkt gebliebenes Feuer hätte verheerende Folgen haben können.
Türmer hatten eine lange Tradition – bereits aus dem Mittelalter heraus, wo sie zunächst in den Burgen eingesetzt worden sind. Trotz ihrer Bedeutung war ihr sozialer Status allerdings nicht sehr hoch. Sie waren nicht sehr angesehen. Darüber hinaus war auch diese Arbeit nicht so einfach, wie es zunächst erscheinen mag. Der Türmer musste manchmal wochenlang in seinem Turm ausharren; und das rund um die Uhr. Eine Gefahr konnte zu jeder Tages- und Nachtzeit entstehen. Mitunter wohnte er sogar in dem Turm.
Heutzutage gibt es keine Türmer mehr. In Zeiten elektronischer Frühwarnsysteme und digitaler Kommunikationsmöglichkeiten ist diese Tätigkeit einfach nicht mehr erforderlich. Sollte man meinen, oder? Doch so ganz stimmt das nicht. Es gibt noch immer Städte, die an dieser Tradition festhalten und einen Türmer beschäftigen. So beispielsweise auch die Stadt Münster. Seit 1950 gibt es dort wieder einen Türmer. Und gerade die ältere Bevölkerung weiß das sehr zu schätzen: Man fühle sich wieder sicherer, da man wüsste, dass dort oben jemand steht und Wache hält. Und tatsächlich konnte der Türmer der Stadt Münster in den vergangenen Jahren schon mehrere Brände entdecken – bevor die Feuerwehr sie bemerkte! Er meldete diese dann aber ganz unspektakulär per Telefon; und nicht per Wächterhorn, so wie es seine Vorgänger in früheren Zeiten wohl getan hätten.
Mit dem Siechentröster haben wir dann noch eine weitere längst vergangene Tätigkeitsbezeichnung. Klarer wird es, wenn man die damals auch geläufige Bezeichnung Krankentröster verwendet. Die Tätigkeit wurde meist von jungen Geistlichen auf Schiffen ausgeübt. Sie spendeten den Kranken an Bord Trost und hielten auch die Andachten. Allein die niederländische Ostindien-Kompanie soll bis zum 18. Jahrhundert über 800 solcher Siechentröster in die Überseegebiete und Kolonien zu Zwecken der Missionierung geschickt haben.
Insgesamt gesehen eine dennoch eher exotischere Tätigkeit, deren Aufgaben heute jedoch in abgewandelter Form durchaus noch von anderen Berufsgruppen an anderen Orten mit ausgeübt werden.
Anders als beim Siechentröster ist die Bezeichnung einer Zofe auch heute noch geläufig. Zofen oder Kammerzofen, wie sie auch genannt wurden, waren Angestellte in wohlhabenden oder adligen Familien. Dort dienten sie der Dame des Hauses bei vielfältigen Aufgaben von der Ankleidung über die Auswahl des Schmuckes bis hin zur Beratung in Sachen Frisur. Gleichzeitig mussten Näharbeiten, Aufgaben im Haushalt, aber auch das Überbringen von Botschaften mit erledigt werden. Ein vielfältiger Tätigkeitsbereich, der selbstverständlich eine gewisse Vorbildung, Anmut und Grazie erforderte. Nicht jedes junge Mädchen konnte eine Zofe werden. Eine solche Anstellung war zu jeder Zeit bei vielen sehr begehrt. Versprach sie doch einen gewissen sozialen Aufstieg. Zofen arbeiteten in einem vornehmen Umfeld und lernten mitunter neben guten Umgangsformen auch das Wirtschaften und die Führung eines Haushaltes. Und die ein oder andere fand vielleicht noch eine Möglichkeit sich geschickt zu verheiraten.
Doch auch in diesem Arbeitsbereich war natürlich nicht alles eitel Sonnenschein. Die Arbeitsbedingungen konnten hart sein und Freizeit gab es wenig. Es wurde viel Fleiß, Disziplin und selbstverständlich Diskretion und Zurückhaltung erwartet. Männliche Zofen gab es auch. Diese wurden jedoch als Kammerdiener bezeichnet.
Und wer jetzt glaubt, sich in den Dienst wohlhabender Menschen zu stellen sei nicht mehr zeitgemäß und ein längst ausgestorbenes Berufsbild … Nun, der irrt. Zofen, Bedienstete und Butler sind heute heiß begehrt und werden außerordentlich gut bezahlt. Fünf- bis sechsstellige Jahresgehälter sind keine Seltenheit. Hinzu kommen weitere Annehmlichkeiten wie beispielsweise ein Dienstwagen, freie Kost und Logis, Rentenversicherung. Und nicht zu vergessen, der Kontakt bis in die höchsten gesellschaftlichen Kreise. Auch heute noch für viele sehr interessant. Der Nachfrage-Boom an solch ausgebildeten Fachkräften ist seit Jahren ungebrochen, da die Anzahl der Reichen und Superreichen kontinuierlich wächst.
Bleibt zu guter Letzt noch das Berufsbild des Schoppers und der Schopperin. Da hat er sich jetzt einfach vertippt, werden viele von euch bestimmt denken. Das Wort heißt Shoppen und ist kein Beruf, sondern eine Passion und Leidenschaft für viele von uns! Doch weit gefehlt. In einer Zeit lange bevor unsere Alltagssprache von Anglizismen durchsetzt worden ist und es auch noch keine Shopping-Malls oder die Möglichkeit zum Online-Shopping gab, war ein Schopper eine Person, die hauptsächlich die Fugen von Bootsplanken zu stopfen hatte. Ein Schiffsbaumeister also. In der Donauregion wurde dieses stopfen als schoppen bezeichnet. Und der Begriff des Schoppens war vielfältig, denn auch das zum Schiffsbau benötigte Holz wurde als Schopperholz bezeichnet, die Werft war die Schopperstatt usw.
Eine Schopperin hingegen hatte wiederum mit dem Schiffsbau wenig zu tun. Man bezeichnete auf diese Weise Krankenpflegerinnen im südlichen Bayern, die Frauen am Wochenbett, d.h. in den ersten Wochen nach der Entbindung – sogenannte Wöchnerinnen – betreuten. Aufgaben aus diesem Bereich werden heute von Hebammen wahrgenommen.
Viele der genannten historischen Berufe kommen uns heute oberflächlich betrachtet bei der Nennung der bloßen Berufsbezeichnung unbekannt vor. Manche Namen lassen uns sogar schmunzeln. Und obwohl sich unsere Gesellschaft in den vergangenen Jahrhunderten rasant weiterentwickelt hat und ein Ende dieser Entwicklung nicht in Sicht ist, sind doch längst nicht alle dieser Aufgaben überflüssig geworden. Sie haben zum Teil andere Namen bekommen, werden in einem anderen Umfeld und unter anderen Bedingungen ausgeübt. Doch vielfach ist ihre historische Tradition noch erkenntlich. Sie sind lebendiger, denn je …